Wer sind die Althoffs?

Neueste Kommentare

Keine Kommentare vorhanden.
Lebenswelten-Niederrhein

Zwischen Bauernhöfen, Feldern und Wäldern taucht im Jahr 1660 in der Gemeinde Freialdenhoven ein Kind auf. Wo seine Eltern sind, kann niemand herausfinden. Auch sein Wohnort oder andere Familienangehörige lassen sich nicht ausfindig machen. Das Findelkind wird von einer Schaustellerfamilie aufgenommen und wird nach seinem Fundort benannt: Michael Aldenhoven. Michael übernimmt die Kunst seiner neuen Familie und wird Begründer einer ganzen Zirkusdynastie: den Althoffs. 

Die Gründungslegende der Zirkusfamilie wird bis heute erzählt, nachweisen lässt sie sich historisch nicht. Gesichert hingegen ist ihr Ursprung im Ort Freialdenhoven – heute ein Gemeindeteil von Aldenhoven im Kreis Düren. Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs und damit fast 300 Jahre lang blieb der Ort der Stammsitz der Familie.  

Doch wie ging es nach dem Auftauchen von Michael Aldenhoven weiter? Wie entwickelte sich aus einem kleinen Schausteller vom Niederrhein eine weltbekannte Zirkusdynastie? Und was machen die Althoffs heute? 

Von Aldenhoven in die Welt 

Die gesicherten Anfänge der Familie Althoff liegen im Jahr 1691. Sogar nochmal 40 Jahre später wurde 1732 der urkundliche Stammvater Franziskus Aldenhoven geboren. Gemeinsam zogen die Familienmitglieder als Gaukler, Schauspieler und Tierdresseure durch das Land. Und das vorerst noch unter dem Namen Aldenhoven. Doch im Laufe der Zeit – wie genau, ist nicht mehr nachzuvollziehen – änderte sich der Familienname in das kürzere, prägnantere Althoff. Spätestens im Jahr 1770 hatte sich der neue Name vollständig etabliert.  

Unter diesem erhielt die Familie in der Franzosenzeit am Rheinland am Ende des 18. Jahrhunderts schließlich sogar ein Zertifikat des Kaisers Napoleon, dass ihre Seiltänzer und Kunstreiter in Frankreich auftreten dürfen. Spätestens seit dem Jahr 1800 wurden sie dann zu Pionieren im Bereich des Wanderzirkus’, der sich von England aus durchsetzte.  

Ein Urvater – unzählbare Nachkommen 

Was der Legende nach mit Michael Aldenhoven begann, entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem kaum zu durchblickenden Stammbaum. Es entstanden mehrere Hauptlinien, die sich wiederum mehr oder weniger stark verästeln. Zu den drei Hauptlinien gehören die Celler, die Märkische und die Rheinische Linie, wobei sich letztere wiederum in die Badener, Münsteraner und die Pfälzer Linien aufgliedert. Jede Linie brachte mehrere Zirkusse hervor oder tat sich mit anderen Zirkusfamilien zusammen. Auf diese Weise entstanden über 72 Zirkusse mit dem Namen Althoff. Hinzu kamen Unternehmungen mit anderen Namen, die jedoch ebenfalls von Mitgliedern der Althoff-Familie gegründet wurden. Ein berühmtes Beispiel ist der Circus Williams, der von Harry Williams und seiner Frau Carola, eine geborene Althoff, im 20. Jahrhundert betrieben wurde.  

Berühmte Geschichten aus der niederrheinischen Dynastie Althoff 

Betrachten wir die gesamte Geschichte der Althoffs mit all ihren Verzweigungen und der Dauer ihres Bestehens, so ließe sich wohl ein eigener Blog mit ihren Anekdoten und Erfahrungen füllen. Doch einige davon sind besonders erzählenswert. Beispielsweise findet ihr kürzere Beiträge zu herausragenden Zirkustieren der Familie und die Geschichte von Adolf Althoff und einem Verdienst an der Menschheit während des Zweiten Weltkriegs auf meinem Instagram-Kanal. Einige andere Beispiele folgen nun an dieser Stelle. 

So heiratete Dominik Althoff aus der Rheinischen Linie 1866 Adele Corty, die ebenfalls aus einer Zirkusfamilie stammte. Ihr Vater betrieb bereits seit 1853 den Circus Corty und machte Dominik schon früh zum Miteigentümer, bevor das Unternehmen 1884 zum Circus Corty & Althoff umfirmierte. Nur wenige Jahre später starben kurz hintereinander 1887 Dominik Althoff und 1888 Pierre Corty, der Vater von Adele. Diese übernahm die Geschäfte und baute den Zirkus gemeinsam mit ihrem Sohn Pierre (benannte nach seinem Großvater) zu einer Ausnahmeerscheinung aus. 3400 Personen fanden in den besten Zeiten im Zirkuszelt Platz. Dort konnten sie Balletttänzerinnen, über 120 Artisten und 100 Rassepferde bestaunen. Begleitet wurde das Spektakel von einem Orchester, während die hauseigene Feuerwehr für die Sicherheit sorgte. Absolutes Highlight der gesamten Zirkusgeschichte waren die Auftritte des Zauberkünstlers Harry Houdini im Jahr 1901. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges, das hierdurch ausbleibende Publikum, die Inflation und schließlich durch ein Feuer ging der Circus Corty & Althoff zugrunde und wurde 1927 aufgelöst. 

Eine weniger schillernde Geschichte aus dem Althoff-Universum ist die von Franz Althoff. Dieser wurde 2004 wegen Steuerhinterziehung in Millionenhöhe zu einer Haftstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Aus einem Pferdemusical, welches er gemeinsam mit zwei Geschäftspartnern zwischen 1997 und 2001 produzierte, schöpften die drei Betreiber 19 Millionen Mark Schwarzgeld ab. Hierdurch entgingen dem Staat 2 Millionen Mark Steuern. Da Franz Althoff bereits in einem vorangegangenen Verfahren wegen Steuerhinterziehung und Betrug zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, musste er dieses Mal direkt die Haftstrafe antreten. Seine Partner erhielten Bewährungsstrafen.  

Was bleibt von den Althoffs? 

Diese zwei Geschichten stehen exemplarisch für einen riesigen Fundus an unterschiedlichsten Ereignissen innerhalb einer über 350-Jahre alten Zirkusdynastie. Eine Dynastie, die die großen Jahre der Zirkusära miterlebte und prägte. Und auch wenn die erfolgreichste Zeit mittlerweile vorbei ist, andere Unterhaltungsunternehmen heute die Menschen anziehen und viele Zirkusse ums Überleben kämpfen müssen, so gibt es immer noch einige Zirkusse unter dem Namen Althoff, die durch die Lande ziehen. Da gibt es den Zirkus Karl Altoff Köllner, den in 8. Generation betriebenen “Circus Althoff – das Original”, den österreichischen Circus Hans Peter Althoff und viele weitere. Was 1660 im niederrheinischen Aldenhoven begann, ist damit noch lange nicht zu Ende. Wir dürfen gespannt sein, wie die Geschichte weitergeht.  

Online

Video

Bildnachweise

Tags:

No responses yet

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert