Wie gingen die Grafen von Kessel zugrunde? 

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Kasteel de Keverberg in Kessel
Niederrhein-Persönlichkeiten

Als Adliger im Mittelalter war man stets auf gute Verbindungen angewiesen. So wurden Ehen meist nicht aus Liebe, sondern vielmehr aus politischem Kalkül geschlossen, es galt sich möglichst häufig im unmittelbaren Umfeld von mächtigen Persönlichkeiten aufzuhalten und auch selbst seine Macht sowie seinen Reichtum darzustellen.  

Die Grafen von Kessel bildeten hier keine Ausnahme. Beinahe unser gesamtes Wissen über dieses Adelsgeschlecht stammt aus Urkunden höhergestellter Personen, in denen sie als Zeugen fungierten. Ein Zeichen dafür, dass sie darauf Wert darauf legten sich im Umfeld dieser Personen zu bewegen. Wir können nachvollziehen, dass sie sich über Jahrhunderte in direkter Nähe der Erzbischöfe von Köln aufhielten. Teilweise gehörten sie sogar zum Gefolge der römisch-deutschen Kaiser.  

Doch was passiert, wenn das Gesamtkonstrukt zu wanken beginnt? Wenn das eigene Vermögen schwindet? Und wenn die eigentlichen Gönner plötzlich nicht mehr die schützende Hand über einen halten?  

Der Aufstieg der Grafen von Kessel am Niederrhein 

Spätestens seit dem 10. Jahrhundert gab es die Grafen von Kessel. Der Legende nach war Ansfried von Utrecht der Stammvater des Geschlechts. Der später selig gesprochene Graf war Bischof von Utrecht, stand in Verbindung mit Kaiserin Theophanu und hat bis heute seinen eigenen Gedenktag – den 3. Mai. Wenige Generationen nach Ansfried von Utrecht finden sich die ersten Urkunden mit namentlicher Erwähnung der Grafen von Kessel.  

Ihre Macht zogen die Grafen aus Zollrechten, die Kessel zugesprochen wurden. Hier trafen der Nord-Süd-Wasserweg über die Maas und der Landweg von Köln nach Antwerpen aufeinander. Für letzteren musste die Maas überquert werden. Und so war auch die erste errichtete Burg auf dem Stammland der Grafen von Kessel ein Zollturm.  

Mit der Zeit entwickelten sich enge Beziehungen zwischen den Grafen und dem Erzbistum Köln. Beispielsweise waren die Grafen von Kessel spätestens seit 1240 als Vögte von St. Pantaleon in Köln. Zum ähnlichen Zeitpunkt stellten sie zudem die Vögte für St. Vitus in Mönchengladbach. Darüber hinaus waren sie eng verbunden mit den Grafen von Geldern, den Grafen von Jülich, hatten die Herrschaft über Grevenbroich und Brüggen und damit allein auf dem Weg von Köln nach Antwerpen drei Einnahmequellen. Sie waren Teil des einflussreichen Adels am Niederrhein und auf dem Höhepunkt ihrer Macht angekommen.  

Konnten die Grafen von Kessel nicht mit Geld umgehen?

Nur ein Jahrzehnt später gerieten die Grafen von Kessel jedoch zwischen die Fronten. Seit Ende des 12. Jahrhunderts bestanden aufgrund von Heiratspolitik verwandtschaftliche Beziehungen zu den Grafen von Jülich, den ärgsten Konkurrenten des Kölner Erzbischofs. Dieser forderte 1250 schließlich eine Entscheidung von Wilhelm von Kessel. Und dieser stellte sich auf die Seite der Jülicher Verwandtschaft. Eine erste Entzweiung von Köln, was noch Folgen haben sollte. 

Gleichzeitig scheinen die Grafen in finanzielle Schwierigkeiten gekommen zu sein. Ob diese nun aus kriegerischen Auseinandersetzungen, den teuren Lebenshaltungskosten am Kölner Hof oder sonstigen Verpflichtungen stammten, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Auch der Vorwurf so mancher Historiker, die Grafen von Kessel konnten nicht mit Geld umgehen, kann nicht vollends widerlegt werden. Er scheint jedoch eher unwahrscheinlich.  

So oder so zeigt sich in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts die finanzielle Not der Grafen immer stärker. Es startete ein regelrechter Ausverkauf der Besitzungen. Besonders die Verkäufe der Burg Grevenbroich für 2.000 Mark am 2. Mai 1273 und des Stammsitzes Burg Kessel an den Grafen von Geldern am 29. September 1279 sind hervorzuheben. Doch auch andere mal mehr mal weniger bedeutende Rechte und Territorien mussten abgetreten werden. 

Die Grafen von Kessel werden aufgerieben 

Wie wir bereits gesehen haben, spitzte sich die Situation zwischen den Grafen von Jülich und dem Erzbischof von Köln immer weiter zu. Natürlich ging es um territoriale und machtpolitische Interessen. Schließlich erklärte Erzbischof Siegfried von Westerburg den Jülichern im Frühjahr 1277 erneut den Krieg. Die Grafen von Kessel schlossen sich dem Bündnis rund um die Grafen von Jülich an. Ein Fehler, wie sich nach der Tötung des Grafen von Jülich und dessen Sohn sowie nach der endgültigen Niederlage zeigte.  

Erst durch das Eingreifen des Papstes kam es am 4. Februar 1279 zur Unterzeichnung eines Friedensvertrages. Dass Heinrich V. von Kessel bei diesem als Verlierer hervorging, ist nach dem Lauf der Ereignisse wohl eindeutig. Nach dem Verkauf seiner Stammburg im gleichen Jahr zog er sich auf die neu erbaute Burg Brüggen zurück, wo er sechs Jahre später am 5. September 1285 entmachtet und verarmt starb. 

Ein Grafengeschlecht stirbt aus

Heinrich V. hinterließ keine Nachkommen. Die Kinder, die er gehabt hatte, waren früh verstorben. Und so blieb lediglich noch sein Bruder Walram von Kessel als Erbe über. Da dieser bisher eine christliche Laufbahn eingeschlagen hatte, kam es jedoch zu Schwierigkeiten beim Erbantritt. Diese konnten zwar mit der Zeit gelöst werden und Walram ging 1296 sogar noch eine Ehe ein. Diese blieb jedoch komplett kinderlos. Und so starb mit Walram am 20. Oktober 1304 der letzte Graf von Kessel.  

Was bleibt von den Grafen von Kessel? 

Über 700 Jahre ist es nun her, dass die Grafen von Kessel großen Einfluss am Niederrhein hatten, dass sie Teil der Machtspiele des Adels waren und dass sich ihr Machtbereich über weite Strecken links und rechts der Maas erstreckte. Dennoch sind sie und gerade ihre Bauten bis heute präsent. Denn auch wenn sich die Burg der Kessels – die heutige Burg de Keverberg – über die Jahrhunderte immer wieder mit Zerstörung und Wiederaufbau konfrontiert sah, steht sie bis heute. Nach ihrer Restaurierung im Jahr 2015 ist sie nun die modernste Burg der Niederlande. Auch die Burg Brüggen ist bis heute das Wahrzeichen der Stadt und ein beliebtes Ausflugsziel am Niederrhein. Die Grafen von Kessel haben ihre Fußspuren hinterlassen. Diese nachzuverfolgen ist in jedem Fall eine Reise durch den Niederrhein wert. 

Literatur

  • H. Clevens, J.A. Coldeweij, De graven van Kessel, Amersfort 1984. 
  • Heinrich Leo, Vorlesungen über die Geschichte des deutschen Volkes und Reiches, Band 4, Halle 1865. 
  • Kasteel de Keverberg, Wo die Gegenwart die Geschichte wieder zum Leben erweckt, Kessel 2024. 

Online

Bildnachweise

  • Jan de Beijer, Public domain, via Wikimedia Commons (abgerufen am 24.03.2024)
  • Rosemoon, CC BY-SA 3.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0>, via Wikimedia Commons (abgerufen am 24.03.2024)
  • User:Ahoerstemeier, CC BY 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by/4.0>, via Wikimedia Commons (abgerufen am 24.03.2024)
  • Kasteel de Keverberg, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons (abgerufen am 24.03.2024)

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